Mit der vhs in die Selbstständigkeit

Interview mit Alin Künne

Mechatroniker, Bibliothekarin oder Justizfachangestellte. Drei völlig unterschiedliche Berufe, die eines gemeinsam haben: Alin Künne hätte sie vor 12 Jahren alle ergreifen können, musste sich jedoch für den Justizdienst entscheiden, denn nur hier war es möglich, Ausbildung und Kindererziehung unter einen Hut zu bringen. Mit jungen 18 Jahren brachte sie ihr erstes von mittlerweile drei Kindern zur Welt. Sie hatte gerade ihren Realschulabschluss in der Tasche, erworben an der Abendrealschule – mit guten Noten, sonst hätte sie nicht die Auswahl unter drei Lehrstellen gehabt.








Foto von Alin Künne
Frau Künne, wie lange dauerte die Ausbildung und wo waren Sie überall tätig?
Sie dauerte die üblichen drei Jahre, wobei ich die meiste Zeit am Gericht gearbeitet habe, aber auch bei der Staatsanwaltschaft, Landgericht und Notariat. Während der Ausbildungszeit bekam ich auch Einblicke in die Justizvollzuganstalt Rottenburg. Die Ausbildungszeit hatte durchaus auch ihren Reiz durch ihre Vielfältigkeit, war für mich also eine gute Wahl.

Als die Lehre zu Ende war, weshalb sind Sie dann nicht im Justizdienst geblieben?
Inzwischen war mein zweites Kind unterwegs und das überschnitt sich mit meinem Lehrabschluss. Daher war erst einmal Mutterschutz und Erziehungsurlaub nach bestandener Prüfung angesagt. In dieser Zeit beklagte sich eine als Freiberuflerin tätige Freundin bei mir, dass ihr die Büroarbeit über den Kopf wachse und sie dazu ohnehin keine Lust hätte. Sie sei schließlich Heilpraktikerin und nicht Sekretärin. Dieser Freundin habe ich dann angeboten, das Büro auf den aktuellen Stand zu bringen.

Aber das hatte doch mit Ihrer fachlichen Ausbildung herzlich wenig zu tun, oder nicht?
Das würde ich so nicht sagen. Der professionelle Umgang mit Akten und Unterlagen war zentraler Bestandteil meiner Ausbildung, der Aufbau einer ordentlichen Ablage ist für mich kein Buch mit sieben Siegeln. Und schreibtechnisch liege ich mit meiner Ausbildung ebenfalls auf hohem Niveau. Das hat sich rumgesprochen. So kamen weitere Aufträge dazu, die Büroorganisation bei anderen Selbstständigen zu verbessern.

Und wie kamen Sie auf die Idee, sich im Bereich Rechnungswesen fortzubilden?

Genau hier war mein Schwachpunkt, Buchhaltung war neu für mich, ist aber zentraler Bestandteil der Büroarbeit. Ich habe zwar alle möglichen Belege ordentlich sortiert und abgelegt, parallel in Exceltabellen erfasst, so dass sie der Steuerberater flott einbuchen konnte. Doch hatte ich keine Ahnung davon, wie die Belege zusammenhängen, wie man sie kontiert oder wie man gar eine Umsatzsteuervoranmeldung macht oder einen Jahresabschluss vorbereitet.

Und all das haben Sie dann an der Volkshochschule gelernt?
Ja. Insgesamt benötigte ich drei Lehrgänge mit jeweils einer Abschlussprüfung, um die Stufe der Geprüften Fachkraft Finanzbuchführung (XB) zu erreichen. Da ich ein klares Ziel vor Augen hatte, habe ich die Lehrgänge zügig innerhalb von drei aufeinanderfolgenden Semestern absolviert. Mit einem Abendtermin pro Woche und ab und zu mal samstags war das zeitlich gut machbar. Dabei half es, dass die Volkshochschulen im Raum Nagold, Herrenberg und Rottenburg zusammenarbeiten. Es kamen dadurch immer genügend Teilnehmer zusammen und unsere Lehrkraft war immer dieselbe Superdozentin, nämlich Frau Löw. Dies hat mich dann auch noch bewogen, weiter zu machen. Mittlerweile habe ich Kurs 4 „Kosten- und Leistungsrechnung“ hinter mir, im Oktober beginnt Kurs 5 „Bilanzierung“ (XPERT Business Kurssuche). Danach habe ich einen Abschluss zur Finanzbuchhalterin (XB).

Das klingt nach viel Arbeit. Inzwischen haben Sie ja drei Kinder, wie kriegen Sie das alles auf die Reihe?
Gerade durch die Selbstständigkeit besonders gut, finde ich. Vormittags, wenn die Kinder im Kindergarten oder in der Schule sind, bin ich beim Kunden, abends oder spätabends mache ich Buchungsarbeiten in meinem eigenen Büro. Als besonders angenehm empfinde ich es, in kein festes Arbeitszeitenschema gepresst zu sein. Man ist so einfach noch flexibler und niemandem außer sich selber Rechenschaft schuldig. Es müssen bestimmte Fristen eingehalten werden, aber dies stellt kein Problem dar.

Der Weg in die Selbstständigkeit ist ja immer ein Wagnis. Haben Sie externe Unterstützung in Anspruch genommen?
Als Hilfe habe ich nur den Gründungszuschuss der Agentur für Arbeit in Anspruch genommen. 9 Monate bekam ich die Krankenversicherung bezahlt und so viel Unterstützung, wie man sie auch als Arbeitssuchender erhalten würde. Das half sehr, die laufenden Kosten zu finanzieren, solange die Auftragslage noch nicht so gut war. Selbstverständlich stand auch meine ganze Familie hinter mir. Mein Mann unterstützte mich in jeglicher Form von Weiterbildung.

Mit der Auftragslage hatten Sie aber nie wirklich Schwierigkeiten, oder?

Zumindest keine akuten. Durch Mund-zu-Mund-Propaganda kam ich rasch an weitere Aufträge, inzwischen ist die Nachfrage größer als meine Kapazität.

Toll. Wir wünschen Ihnen, dass das so bleibt, und auch Ihre Gesundheit immer mitspielt. Vielleicht brauchen Sie eines Tages Entlastung und schaffen einen weiteren Arbeitsplatz?
Ich könnte es mir durchaus vorstellen, noch einen Arbeitsplatz zu schaffen. Davor möchte ich aber im Bereich Lohn- und Gehaltsabrechnung eine Weiterbildung machen. Die wird ja auch im XPERT Business Weiterbildungssystem angeboten. Danach sehen wir weiter.


Quelle: fit durch fortbildung, Ausgabe Arbeitgemeinschaft für berufliche Fortbildung im Kreis Calw / Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg, 09/2010 bis 08/2011

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